Wenn du dich mit Langzeitbelichtungen beschäftigst, wirst du recht schnell merken, dass ND Filter der entscheidende Schlüssel zu beeindruckenden Fotos sind. Ich zeige dir anhand von Beispielbildern, welche Auswirkungen ein ND Filter auf ein und dasselbe Motiv hat und welche großartigen Effekte möglich sind. Nach diesem Post wirst du die Bedeutung und den Einsatzzweck von ND Filtern in der Fotografie kennen.
Warum heißt der Graufilter/ND Filter Neutraldichte Filter?
Weil seine Aufgabe ausschließlich darin besteht, dass auf den Sensor einfallende Licht in seiner Lichtintensität zu reduzieren. Ansonsten soll der ND Filter sich in der Abbildung neutral verhalten, d.h. keine Sättigungs- oder Intensitätsveränderung der Farben hervorrufen. Er wird auch Graufilter genannt. Graufilter deshalb, weil die Filter in unterschiedlichen Intensitäten grau eingefärbt sind. Je dunkler, desto weniger lichtdurchlässig. Und da kommen wir auch schon zur Hauptfunktion des ND Filters.
Wozu brauchst du als Fotograf einen ND Filter?
Der Filter dient dem Fotografen dazu, die Verschlusszeit als Gestaltungsmittel zu nutzen. Je nach Länge der Verschlusszeit, die durch die unterschiedlichen Dichten der Filter bestimmt werden, kannst du unterschiedliche fotografische Effekte im Bild erzeugen.
Wann benötigst du einen ND Filter/Graufilter?
- Grundsätzlich immer dann, wenn du bei Tageslicht eine Langzeitbelichtung durchführen möchtest
- Bei Wasseraufnahmen, in denen man einen glättenden Effekt abbilden möchte
- Bei fließenden Gewässern, zur Erzeugung vom Nebeleffekt (sehr lange Belichtungszeit)
- Bei Landschaftsaufnahmen, um den Blitz am Himmel einzufangen
- Bei Windeffekt-Aufnahmen, um die Windrichtung und -Windstärke zu verdeutlichen, sei es durch eine verwischte Bewegung von Wolken, Getreidefeldern oder Kaminqualm,
- Bei Aufnahmen von großen Plätzen, um die Hektik und Bewegung der Menschen oder Fahrzeuge durch Wischeffekte einzufangen oder gar, um Geisteraufnahmen zu erreichen
- Bei Aufnahmen von belebten Straßen oder belebten Gebäuden, bei denen man die Menschen durch eine sehr lange Belichtungszeit aus dem Foto verschwinden lässt
- Bei Lichtspurenaufnahmen von Autos in der Dämmerung
- Beim Lightpainting in der Dämmerung
- Bei Aufnahmen mit extrem offener Blende, bei denen eine Langzeitbelichtung gewünscht ist
Was bedeutet die Angabe hinter dem ND?
Es gibt unterschiedliche Abstufungen der Graufilter, die durch ND Werte beschrieben werden. Zugegebener Massen haben mich die unterschiedlichen Werte beim Erstkontakt mit den Filtern mehr als verwirrt. Ich las mal ND10, mal ND1000 oder ND 3. Die hier genannten Angaben meinen ein und dasselbe, werden jedoch manchmal semantisch falsch verwendet. Die richtige Schreibweise der Werte wäre: ND10, NDx1000, ND 3.0.
Was verbirgt sich denn nun hinter den Werten?
ND10 – Der ND Wert, in der Schreibweise ND10, meint die Blendenstufen, um die der Filter die Verschlusszeit verlängert. Eine Blendenstufe sorgt für eine Verdopplung der Verschlusszeit. Bei 10 Blendenstufen habe ich 10-mal eine Verdopplung der Verschlusszeit hintereinander. Rein mathematisch betrachtet heißt ND10 nichts anderes als 2 hoch 10 = 1024. Die Berechnung würde bedeuten, dass bei einem ND Filter mit der Angabe ND 10 die Verschlusszeit mit 1024 multipliziert werden müsste. In Wahrheit liegt der Faktor jedoch bei 1000. Die Belichtungszeiten folgen einer anderen Gesetzmäßigkeit, siehe untere Belichtungszeiten Tabelle.
NDx – Der NDx Wert bringt den Faktor zum Ausdruck, um welchen die Verschlusszeit verlängert wird. Im Klartext heißt es am Beispiel von NDx1000, dass man die Verschlusszeit ohne Filter mit 1000 multiplizieren muss, um die gleiche Belichtung beim Einsatz des Filters zu erreichen.
ND 3.0 – Der ND Wert mit einer Dezimalstelle im Wert ist ein logarithmischer Wert, gemeint ist die Potenzreihe zur Basis 10. ND 3.0 bedeutet also ND 10 hoch 3.0 also NDx1000. Der Wert ND 3.0 gibt also letztendlich nach der Potenzierung den Multiplikationsfaktor der Verschlusszeit wieder. Mit einem ND 10 oder ND 3.0 oder NDx1000 Filter kann die Verschlusszeit um das Tausendfache verlängert werden.
Die Tabelle, zeigt deutlich, dass die Belichtungszeiten einer etwas anderen Gesetzmäßigkeit folgen als dem reinen Verdoppeln der Verschlusszeit, daher ist beim Einsatz von ND 10 Filtern eine Vervielfachung der Belichtungszeit um den Faktor 1000 und nicht, wie es mathematisch richtig wäre, um den Faktor 1024 zu berücksichtigen.
Was ist beim Fotografieren mit ND Filtern zu beachten und wie ist der Workflow?
- Bildausschnitt wählen, Kamera auf dem Stativ ausrichten
- Ohne Filter im AV Modus eine Belichtungsmessung vornehmen
- Den Bildstabilisator ausschalten und ISO auf 100 einstellen
- Die ermittelten Werte von Blende & Verschlusszeit merken oder in eine App übertragen
- Mit einer App die Verschlusszeit unter Berücksichtigung des ND Filters neu berechnen
- Mit dem automatischen Fokus auf das Hauptmotiv Fokussieren
- Den Autofokus abschalten
- Kamera in den M / Bulb Modus einstellen, je nach Belichtungszeit bei > 30 Sekunden = Bulb
- Die Zuvor gemerkten Werte übernehmen, hierbei die Verschlusszeit aus der App verwenden
- Den ND Filter einsetzen
- Die Auslöseautomatik auf Fernauslöser bzw. 2 Sekunden Selbstauslöser einstellen. Hierbei wird der Spiegel beim Betätigen des Fernauslösers hochgeklappt, die Belichtung startet jedoch erst 2 Sekunden später, nachdem der Spiegelschlag keine Rolle mehr spielt. Damit beugt man verwackelten Bildern vor
- Der Sucher sollte mit der Okularabdeckung verschlossen werden, um Sucherstreulicht auf der Aufnahme zu vermeiden. Aus eigener Erfahrung spielt die Okularabdeckung bei Dämmerung und in der Nacht eine wichtige Rolle. Bei Tagesaufnahmen habe ich die Okularabdeckung bisher nicht benötigt
- Den Fernauslöser betätigen und mit der Belichtung starten
- Ruhig drei Belichtungen durchführen mit der berechneten Belichtungszeit, Belichtungszeit – 1 Blendenstufe und Belichtungszeit +1 Blendenstufe. Die hier genannten Belichtungszeiten können in der App PhotoPills berechnet werden.
Tipp: Je schneller sich das fotografierte Objekt bewegt und je weniger es von der Kamera entfernt ist, desto weniger muss die Verschlusszeit verlängert werden, um den gewünschten Effekt zu erreichen.
Bei einem Wasserfall oder einem Springbrunnen z.B. reichen schon Sekundenbruchteile, um einen schönen an Nebel erinnernden Wischeffekt zu erreichen. Handelt es sich aber z.B. um einen See, oder einen Bach in einiger Entfernung zur Kamera, dann werden schon einige Sekunden an Belichtungszeit benötigt.
Eine Faustformel für ganz Ungeduldige
Stell deine Kamera mit Hilfe von Blende und ISO auf eine Belichtungszeit von 1/30 Sekunde. Der ISO Wert sollte nach Möglichkeit eine kleine Zahl ausweisen. Verwende anschließend den ND 3.0 Filter, der einen Multiplikator von 1000 hat, so kommst du auf eine Belichtungszeit von 30 Sekunden. Schließt du nun die Blende um eine weitere Stufe, verlängert sich die Belichtungszeit auf 60 Sekunden, bei einem weiteren Blendenschritt kommst du entsprechend auf 120 Sekunden.
Welche Kriterien waren bei meiner Auswahl des ND Filtersystems entscheidend
- Günstiger Preis, ohne die Qualität der Bilder negativ zu beeinflussen
- Größe, Umfang der Kleinteile und Gewicht des gesamten Filtersets
- Komfortables und effizientes Handling
- Zukunftssicher, mit der Möglichkeit Filter zu kombinieren ohne viel Gefummel
Da ich hochwertige Optiken an meinen Kameras verwende, wollte ich auf keinen Fall riskieren durch minderwertige Filter die Qualität der Abbildung zu ruinieren. Somit kamen die extrem günstigen Filterkits, die man teilweise für 20 bis 50 € erhält, nicht in Frage. Nach längerer Auswertung und Recherche stellte sich heraus, dass viele Anwender von solch günstigen Systemen sich über Farbstiche, Vignettierungen oder gar komplette Farbverfremdung der Fotos beschwerten. Des Weiteren stellte sich für mich die Frage, wie groß, wie kleinteilig und wie schwer das gesamte Filtersystem sein muss, da ich es auf Reisen verwenden möchte.
Als letztes Kriterium legte ich die Möglichkeit eines schnellen, effizienten und komfortablen Filterwechsels ohne viel Gefummel fest. Da mir bewusst ist, dass ich nach der Wahl des Bildausschnitts und nach der Fokussierung auf mein Hauptmotiv den Autofokus abschalten muss, anschließend den Filter anbringen werde und die Kamera mir mit ihren Belichtungsautomatiken ab diesem Zeitpunkt nicht mehr helfen kann, wollte ich ein Filtersystem haben, dass mir schnelle Korrekturen oder gar schnelle Neukompositionen des Bildes ermöglicht. Also muss es ein System sein, dass ein schnelles Anbringen und Abmachen des Filters vorsieht. Damit fielen die Schraubfiltersysteme aus meiner engeren Wahl raus. Ich konzentrierte mich nun auf die Einschubsysteme, die den zusätzlichen Vorteil haben, dass ich schnell mehrere Filter miteinander kombinieren kann und auch Verlaufsfilter verwenden könnte.
Meine einzigen Bedenken bei den Einschubfiltern waren lediglich: die Handhabung vor Ort mit dem Geschiebe der Scheiben in den Halter, das mögliche Verkanten und das versehentliche Anpacken der entscheidenden Filterfläche mit meinen Fingern, das ggf. das Bild ruinieren würde. Unter Berücksichtigung aller oben beschriebenen Kriterien entschied ich mich für ein Hybridsystem, welches aus meiner Sicht meine Bedürfnisse optimal abdeckt.
Zum einen habe ich ein Drop-In Einschubfach, das ich am Plastikrahmen anfassen und schnell ohne viel Aufwand in die Drop-In Vorrichtung reinfallen lassen kann Zum anderen kann ich bei diesem System den Filter sehr schnell aus dem Drop-In Bay rausziehen, die Kamera neu ausrichten, den Fokus neu setzen und anschließend den Filter wieder in den Drop-In Bay fallen lassen. Sollte ich mehrere Filter in Kombination einsetzen wollen, kann ich zum oben beschriebenen Drop-In Filter einen herkömmlichen Einschubfilter in die dafür vorgesehene Vorrichtung einschieben. Diese Möglichkeit stellt zwar einen Kompromiss dar, ist jedoch aus meiner Sicht recht schnell und leicht handlebar. Hierbei muss ich zwar etwas sorgsamer mit dem Filterglas umgehen, muss darauf achten, dass ich beim Einschieben nicht verkante und auch die Problematik von Fingerabdrücken auf der Filterscheibe ist gegeben. Jedoch lässt sich das gesamte Filtersystem dank seiner Snap-In Vorrichtung schnell vom Objektiv abziehen, quasi mit einer Handbewegung, so dass eine Neuausrichtung der Kamera sowie das Nachfokussieren keine aufwendige Fummelei am Objektiv darstellt. Ich hoffe zwar, dass ich in der Anfangszeit mit den Drop-In Filtern auskomme, es ist jedoch gut zu wissen, dass ich mich mit dem gewählten Filtersystem nicht einschränke und auch zukünftig die Einschubfilter verwenden könnte. Das von mir hier beschriebene System ist das im Frühjahr 2019 erschienene Haida M10 Filterhalter Kit System inkl. der drei NanoPro M10 Drop-In Filter ND 1.8 (6 – Blendenstufen) / ND 3.0 (10 – Blendenstufen) / ND 4.5 (15 – Blendenstufen)
Welchen ND Filter brauchst du wofür?
Bei hellem Tageslicht reichen ND Filter mit 3 – bis 6 – Blendenstufen lediglich für den Effekt der leichten Bewegungsunschärfe oder der leichten Glättung, so dass eine Dynamik im Bild zum Ausdruck kommt. Je größer die Dichte der Filter umso schneller kann das Objekt sein, das eine Bewegungsunschärfe im Bild hinterlassen soll. Angefangen vom Fußgänger über den Fahrradfahrer bis hin zum Auto. Sobald die Tageslicht Helligkeit abnimmt, z.B. zur Dämmerung hin, kannst du auch mit den oben genannten Filtern tolle Weichzeichnungseffekte von bewegten Objekten erreichen. Wenn du eine deutliche Glättung von fließendem Wasser oder gar eine Nebeleffektbildung bzw. Eliminierung von bewegten Objekten aus dem Bild erreichen möchtest, benötigst du einen Graufilter ab ND10 – Blendenstufen aufwärts.
Hier siehst du eine Zusammenstellung von Belichtungszeiten und den damit einhergehenden möglichen Effekten, die dir als Orientierungshilfe dienen können:
Unten findest du ein paar Beispiele zur Verdeutlichung der beschriebenen Effekte:
Du siehst anhand der Beispielbilder ganz deutlich, wie sich die Wirkung der schäumenden Wellen in Abhängigkeit von der gewählten Belichtungszeit verändert. Es fällt auch auf, dass mit zunehmender Belichtungszeit die Strukturen der Mauer und des Turms viel weicher und kontrastärmer wirken, gleichzeitig wird der Himmel von Bild zu Bild weicher, die Wolkenstrukturen verschwinden.
Wie berechnet sich die Belichtungszeit, wenn du mit zwei ND Filtern gleichzeitig arbeitest?
- Verwendest du einen ND 10 und einen ND 6 Filter gleichzeitig, addieren sich die Blendenstufen. Das bedeutet, das einfallende Licht wird um insgesamt 16 Blendenstufen verringert. Der Faktor, um den sich die Belichtungszeit ändert wird multipliziert.
- Angenommen du hast eine Belichtungszeit von 1/400 Sekunde ohne Filter, würde sich die Belichtungszeit bei Verwendung von ND 10 (Faktor 1000x) und ND 6 (Faktor 64x) um den Faktor 64000x, auf 2 Minuten und 40 Sekunden verlängern. Das bedeutet 64000 x 1/400 Sekunde = 160 Sekunden = 2 Minuten und 40 Sekunden.
Ich wünsche dir viel Spaß beim Experimentieren und Langzeitbelichten.
Nachtrag:
Zusätzlich zum oben genannten Drop-In Set, haben wir uns auch drei Graufilter zum Stecken in folgenden Stärken gekauft: ND 0.9 (3 – Blendenstufen) / ND 1.8 (6 – Blendenstufen) / ND 3.0 (10 – Blendenstufen). Wir werden alle ND Filter sowohl einzeln als auch in Kombination auf unserer Portugal Fotoreise, entlang der Atlantikküste ausgiebig einsetzen und testen. Ich werde von unseren Erfahrungen in einem der nächsten Blogbeiträge berichten.
Hier schonmal eine kleine Vorschau der in Portugal erstellten Fotos: